Freitag, 7. März 2014

echo am Mittwoch, 14.04.1999

Drei-M-Dramaturgie

Heilbronner OB-Kandidat Harry Mergel (SPD) zu Besuch in der echo-Redaktion


Von Jürgen Dieter Ueckert

Der Aufbruch in der Stadt hat ei­nen Heilbronner Namen, näm­lich Harry Mergel", hatte Sibylle Mösse-Hagen dem echo mitge­teilt, als das bürgerliche Lager seinen Kandidaten präsentierte. Jetzt ist die selbstbewusste SPD-Chefin Wahlkampfleiterin für den OB-Kandidaten Harry Mer­gel, der von Sozialdemokraten und Grünen unterstützt wird.

Fit und braunge­brannt präsentiert Harry Mergel sich der echo-Redaktion, frisch aus einem Skiurlaub, den er mit Jür­gen Zieger verbrachte, einst Baubürgermeister in Neckar­sulm und jetzt OB in Esslingen. „Wir haben natürlich auch über Heilbronn gesprochen - und Zie­ger beneidet unsere Stadt um ih­re Aufbruchsstimmung und die gu­te Finanzlage“, meldet der Kan­didat aus seinem Urlaub.

Für Harry Mergel war es deshalb klar, dass er neben seiner Heil­bronner auch eine renommierte Stuttgarter Werbeagentur für den OB-Wahlkampf engagiert. Und zwar genau jene, die schon die Zieger-Kampagne zur Esslinger OB-Wahl erfolgreich gema­nagt hatte. Als Parteikandidat jedoch will Mergel nicht gelten. Deshalb präsentierte ihn eine Bürgerin­itiative als ihren OB-Kandidaten, die heute schon mehr als 30 Na­men umfasse.

Weitere Personen wollte er bei seinem Besuch in der echo-Redaktion noch nicht nen­nen: „Wir haben eine Dramatur­gie für den Wahlkampf - und da kommt alles zu seiner Zeit." Wenn der bürgerliche Kandidat sich als „Mann der Wirtschaft" bezeichnet, ficht Mergel das nicht an. Auch er meint lako­nisch: „Ohne Unterstützung aus der Wirtschaft ist der Wahlkampf nicht zu führen."

Ob ein Wahlkampfslogan wie „Modem, menschlich, Mergel“, den der Kandidat mal locker so in die Runde wirft, letztlich zum Zuge kommen wird, weiß er noch nicht. Klar ist dagegen für ihn, dass er auf auswärtige Prominenz Im Wahlkampf verzichtet. In einer Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Damit Heilbronn ge­winnt" werden ihn ab dem 10. Ju­ni „aus freundschaftlicher Ver­bundenheit“ Künstler wie die „Neue Museumsgesellschaft“ oder Gerhard Polt unterstützen. Für den Gaffenberg-Kulturtage- Manager Mergel ist das „authentisch".

Rütteln an der Pforte des Heilbronner Rathauses mit dem Ruf „Ich will da rein" - wie einst Ger­hard Schröder beim Kanzleramt – solche Geschichten kann Harry Mergel nicht bieten. Aber gute Freunde haben ihm jetzt be­scheinigt, dass er früher schon gesagt habe, das mit dem OB wolle er machen. Selbstbewusst klärt er auf: „Berliner-Platz-Bebauung, Agenda-Prozess, Verwaltungsmodernisierung, Einrich­tung von Bürgerämtern - all die­se Aufbruchsaktivitäten in Heil­bronn sind eng mit meinem Namen verbunden."

Sein Pro­gramm für die Stadt liegt in Um­rissen vor. Viele Einzelpunkte tischt er auf. Die müssten aller­dings, das stellt er ohne Um­schweife fest, jetzt noch ausge­feilt werden.
„Die objektiven Daten in Heilbronn sind oftmals besser als das subjektive Empfinden vieler Bürger", erzählt der Mann, der als seine Lebensaufgabe „Arbei­ten für Heilbronn“ ansieht.

Schön reden will er die Stadt überhaupt nicht, wie ihm man­che Kritiker vorwerfen. Vernünf­tig prüfen und entscheiden, wenn es um konkrete Projekte geht, lautet sein Motto. Beispie­le: neues Logentheater oder Um­bau der Eishalle.

Wie bereitet sich der 43jährige Vater zweier Kinder auf die kommenden Wochen des harten Wahlkampfs vor? „Ich lebe gesund, mit wenig Genussmitteln“, erzählt der einstige Fußballspie­ler der Union Bückingen. Mit Waldlauf will er wieder anfangen, um demnächst am Zehn-Kilometer-Stadtlauf teilnehmen zu kön­nen.

Dass er als Berufschullehrer gegen einen amtierenden OB antritt, das stört ihn nicht: „Ich stehe ihm in Ausbildung und Kompe­tenz als Verwaltungs- und Wirt­schaftswissenschaftler in nichts nach." Mergel setzt auf jene Wählerschichten, „die bereit sind, differenziert zu denken und wahrzunehmen.“

Schon heute weiß er, dass die Wähler „letztlich eine gute Entscheidung treffen werden“. Und wenn die negativ für ihn ausfällt? Scherzhaft kon­tert er, dass er dann ja noch Fuß­balltrainer werden könne.

Vor­läufig ruht sein Amt als SPD-Fraktionsvorsitzender. Als Stadtrat kandidiert er im Herbst auch nicht mehr. Dass er im August eventuell für die SPD-Liste nach-­nominiert werde, ein solches Gerücht weist er zurück.

„Ein Kerl muss eine Meinung ha­ben." Den Satz des Dichter Al­fred Döblin zitiert er, als es um seinen Standort in der SPD geht. Modernität und soziale Gerech­tigkeit sind seine Stichworte, nicht links oder rechts. „Ich war immer bei den Gewinnern“, be­tont er mit Vehemenz.

Denn die meisten Anträge, die von seiner Fraktion durch ihn eingebracht wurden, fanden Mehrheiten, er­zählt er stolz. Er sei eben „mehr­heitsfähig“ - und setzt für den 27. Juni auf Sieg. Mit dem Nach­satz: „Wir sind auch fit genug für einen zweiten Wahlgang.“


echo am Mittwoch
14. April 1999
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