Heilbronn stinkt nach Palermo
Die OB-Wahl in Heilbronn
ist noch offen
Von Jürgen Dieter Ueckert
Es war vor 42 Jahren - Ich wurde in diesen Tagen gefragt, wann ich schon einmal eine Partei / einen Kandidaten in einer Wahl unterstützt habe. Meine Antwort: Im Jahre 1972. Auch seither ging ich immer wählen – als braver Demokrat. Aber ich bin ein typischer Wechselwähler. Und das ist gut so.
Von Jürgen Dieter Ueckert
Es war vor 42 Jahren - Ich wurde in diesen Tagen gefragt, wann ich schon einmal eine Partei / einen Kandidaten in einer Wahl unterstützt habe. Meine Antwort: Im Jahre 1972. Auch seither ging ich immer wählen – als braver Demokrat. Aber ich bin ein typischer Wechselwähler. Und das ist gut so.
Meine
Vorbehalte
Ich habe bei dieser
Heilbronner OB-Wahl lange überlegt. Den SPD-Mann Harry Mergel
unterstütze ich NICHT. Das war mir sehr schnell klar. Ich habe Harry
Mergel als Politiker und Zeitgenossen über 30 Jahren erlebt. Als Journalist.
Ich habe meine gewissen Vorbehalte – gegen seinen Charakter, sein Denken, sein
Handeln. Meine Haltung ihm gegenüber habe ich in den letzten Wochen versucht
schriftlich zu begründen.
Da kommt einiges an
Argumenten zusammen. Zum Beispiel: Harry Mergel und Sibylle
Mösse-Hagen haben sich über meine journalistischen Arbeiten immer direkt
beim Verleger beschwert. Sie sind mit Mappen voll meiner Artikel angetanzt –
nicht bei mir – sondern in der Allee 2 – oder früher beim Neckar Express.
OK – ich wurde nachfolgend von den Verlegern immer über diese SPD-Beschwerden
umfassend informiert - und nie abgestraft.
Aber der Versuch von
diesen beiden SPD-Genoss(inn)en, mich mundtot zu machen, der war da. Wie
einst auch vom “SPD-Genossen”, Kulturbürgermeister Erwin Fuchs, der versucht
hatte, gegen meine Stadttheater-Berichterstattung im Jahr 1982 vorzugehen.
Komisch. Andere Parteien haben das alles nie gemacht. Offenbar kein Einzelfall.
Ein älterer Kollege, der bei einer SPD-Zeitung volontiert hatte, berichtete mir
von fürchterlichen Erlebnissen, wenn Sozi-Mandatsträger voll Zorn in der
Redaktion auftauchten - und vor Wut über die
Berichterstattung der Redakteure, sprich der Presse schäumten.
Unliebsame
Wahrheiten
Ein weiterer Grund,
nicht Harry Mergel zu unterstützen, ist der unrühmliche Umgang der
Sozialdemokraten mit unliebsamen Wahrheiten: Viele in der Käthchenstadt wissen
wie ich, dass bis 1990 in Heilbronn rund vier Stasi-IMs tätig waren -
laut Stasi-Akten. Vielleicht wissen manche Zeitgenossen auch, wer das war. Wenn
sie in Berlin ihre Stasi-Akten angeschaut haben. Ich habe es getan. Und ich
habe auch im Bundesarchiv in Koblenz recherchiert.
Und auch das ist kein
Geheimnis mehr: Heini Großhans, der SS-Mann und Nazi-Polizist in
Heilbronn war, wurde später SPD-Geschäftsführer und Gemeinderat. Das wusste
auch die SPD. Und sie wusste auch, wo Großhans im zweiten Weltkrieg als SS-Mann
gekämpft hatte. Nur seine Partei schwieg eisern darüber. Genauso wusste die Partei
sehr genau, wer sich im Heilbronn des Dritten Reichs billig jüdisches Eigentum
unter den Nagel gerissen hat. Ich hatte als Journalist bei der SPD
nachgefragt. Antwort: Es leben noch zu viele Betroffene … deshalb keine
Antwort.
Noch ein Beispiel: Wie
sagte Goethe einst so treffend: Sage mir, mit wem du umgehst,
so sage ich dir, wer du bist. Der Heilbonner DGB unter Paul Maier
und seine Genossen aus der SPD hetzten zu Beginn der 80er Jahre in
Veranstaltungen gegen die polnische Gewerkschaft Solidarność. Die polnische
Opposition sei gar keine echte Gewerkschaft, das seien alles nur klerikal-faschistische
Gruppen in Polen, hieß es.
Meine Frage, ob die
kommunistischen Gewerkschaften oder Solidarność die richtigen Partner für den
DGB seien, beantwortete Maier unter dem Beifall seiner Kollegen/Genossen: Die
selbstverständlichen und natürlichen Partner für die deutschen Gewerkschaften
im DGB seien die kommunistisch-staatlichen Gewerkschaften in Polen – so
solidarisierte man sich mit dem Büttel der kommunistischen Militär-Diktatur und
machte aus dem Goethe-Spruch reale Politik.
Brüder
im Geiste
Ebenso war es bei der
engen Partnerschaft mit dem Gewerkschaftsbund der DDR, dem FDGB. Die Heilbronner Sozialisten und Gewerkschafter reisten gerne
und oft zu ihren „Brüdern“. Dialoge oder gar Kontakte mit Demokraten /
Oppositionellen in diesen Ländern mieden die bundesdeutschen Gewerkschaften und
die SPD – wie auch die Heilbonner – dagegen wie der Teufel das Weihwasser.
Auch das
Gaffenberg-Festival unter Harry Mergel baute keine Kontakte zu Oppositionellen
in DDR und in Polen auf. Dagegen wurden sorgfältig die Kontakte zu den
offiziellen und staatlichen „Kultur-Schaffenden“ in der Diktatur gepflegt - bis
hin zu Sowjetunion.
Ich erinnere mich sehr
genau an ein Gespräch, bei dem Harry Mergel über das Elend der Genossen aus der
ehemaligen DDR jammerte - jene menschenverachtenden Greise aus dem
SED-Zentralkomitee -, weil sie jetzt vor bundesdeutschen demokratischen
Gerichten für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen wurden. Das seien doch,
so Mergel naiv, alles gute Antifaschisten gewesen, die ob ihrer Überzeugungen
schon unter Hitler im Zuchthaus gesessen hätten.
Über 40 Jahre Verbrechen
gegen die Menschenwürde und die unmenschliche Jagd auf jegliche Opposition in
der DDR verlor Herr Mergel kein Wort des Bedauerns.
Die SED und die SPD -
davon kann auch Harry Mergel ein Lied singen. Er hatte damals enge Kontakte zu
SDAJ, DKP, linken Gewerkschaftsleuten bei uns in Heilbronn und auch zu Personen
in der Sowjetunion und der DDR. Übrigens war ja auch seine evangelische Kirche
stark mit der DDR-Kirche (“Kirche im Sozialismus”) verbandelt. Siehe Erhard
Eppler 1987: Papier von SPD und SED; beide Parteien legten darin
ihren gemeinsamen Willen zur friedlichen Koexistenz zweier deutscher Staaten
nieder. Die Vereinigung Deutschland – das hatten die Sozis ganz bewusst
verschlafen. Mit Lafontaine’scher Wut.
Warum? Es geht ein Gespenst um in Deutschland. Die Linken, vor allem Sozialdemokraten und
Kommunisten, haben ihren Wählern aus dem Jahr 1933 nie vergessen, das die mit wehenden Fahnen zum „Führer“ Adolf Hitler übergewechselt waren. Und die Linken haben dem deutschen Volk nie
vergeben, dass es sich nicht selbst von der Nazi-Diktatur befreit hatte –
sondern diese Befreiung den Alliierten 1945 überließ. Das linke Misstrauen und der linke Hass auf das
deutsche Volk darob – das gipfelt heute in dem Wahn-Spruch der linken
Autonomen: Nie mehr Deutschland.
Linkes
Gaffenberg-Festival
Ganz so radikal ist
Heilbronn nicht. All diese Linken von der Mergel‘schen „kleinen
Volksfront“ - von SPD, Grünen, DKP, SDAJ, DGB, evangelische Kirche etc. -
arbeiteten beim Gaffenberg-Festival politisch, nicht nur kulturell eng
zusammen. Vor allem vor und nach 1990. Mergel weiß über diese alten
“linken Geschichten vom Gaffenberg” sehr genau Bescheid. Man muss ihn nur
fragen …
Die Recherchen über das ominöse “finanzielle Kapital des
Gaffenberg-Festival-Vereins”, die Zeitungen in
Baden-Württemberg anstellten, wurden vor
Jahren entschieden gestört ... Warum: der Gaffenberg-Festival-Verein mauerte -
das Ergebnis ist noch offen.
Im
Deutschorden-Kulturkeller der Stadt Heilbronn wurde 1988/89 bei einer
Podiumsdiskussion über den politischen Umbruch in der Sowjetunion gesprochen.
Heftig wurde von Mergel die Politik von Michail Gorbatschow, Glasnost
und Perestroika, bejubelt. Als ihm vorgehalten wurde, dass die
kommunistische Sowjetunion nicht reformierbar sei, eher würde dieser Staat demnächst im
Bürgerkrieg untergehen, da stellte Mergel diese Sichtweise als dümmliche und
reaktionäre Ansicht dar, die vom naiven US-Präsidenten Ronald Reagan stammen
könnte.
Dass kurze Zeit danach
die Sowjetunion implodierte, wurde vom weitsichtigen Herrn Mergel mit
Krokodilstränen bejammert. Natürlich: Mergel, ein glühender
Lafontaine-Bewunderer, sah wie so viele Sozis in dieser Zeit in der DDR keine
Opposition. Im Gegenteil: Sie interpretierten das SPD-Wort vom „Wandel durch
Annäherung“ in eine rote, für sie angenehme Richtung. Die westliche
Bundesrepublik solle – nach diesem linken Denken - „DDR-sozialistischer“
werden.
Deutsche
Kombinate
Die SPD und linke
Gewerkschafter hegten noch nie starke Sympathie für den Mittelstand und das
Handwerk. Großkonzerne wie Audi, Lidl oder Daimler sind ihnen entscheiden
lieber. Da können sie ihre Macht ausspielen – über ihre Betriebsräte. So
erklärt sich auch die Sympathie von Harry Mergel für Dieter Schwarz und
dessen Firmenpolitik. Die DDR und ihre Kombinate wirken als gutes Vorbild für
unsere bundesdeutschen Großkonzerne. Siehe auch: Die Macht moderner
Kapital-Oligarchien im Osten – seit 1990. Wo sind die großen Unterschiede?
Deshalb ist der
Mergel-Satz auch Heuchelei - und das weiß er sehr genau: Dass der OB-Kandidat
Mergel sich über die Unterstützung von Dieter Schwarz genauso freue wie über
jene von der Rentnerin aus Böckingen oder Biberach. Einfache Rentner sind
nämlich keine Mitglieder in seinem Lions-Club. Dort sitzen die ihm lieben -
weil mächtigen Zeitgenossen. Zu Mergels Vita passt denn auch Hans Falladas
„Ein Mann will nach oben“.
Das alles ist nicht
sonderlich tragisch. Geschichten dieser Art sind auch in anderen Städten der
Größe Heilbronns zu beobachten. Und wer gönnte Harry Mergel nicht einen
Verdienst-Sprung von bisher rund 120.000 Euro pro Jahr als Bürgermeister auf
rund 400.000 bis 800.000 Euro als Dieter-Schwarz-Manager nach seiner Niederlage
als OB-Kandidat am Sonntag.
Dies - und noch vieles
andere – haben mich dazu gebracht,
Harry Mergel und seinem Willen zu Macht sehr, sehr distanziert
gegenüberzustehen.
Harry Pinocchio? Ich
will keinen “kleinen Kaiser Nero” auf dem Heilbronner Rathaussessel haben,
keinen „Gaffenberg-Paten“, der von vielen reichen Familien in Heilbronn
abhängig ist. Und ich will keine Stadt Heilbronn, die stark nach “Palermo”
riecht.
Heilbronn, Mittwoch, 12. März 2014
Heilbronn, Mittwoch, 12. März 2014
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