Donnerstag, 13. März 2014

Gemieden - wie das Weihwasser vom Teufel

Heilbronn stinkt nach Palermo

Die OB-Wahl in Heilbronn ist noch offen

Von Jürgen Dieter Ueckert

Es war vor 42 Jahren - Ich wurde in diesen Tagen gefragt, wann ich schon einmal eine Partei / einen Kandidaten in einer Wahl unterstützt habe. Meine Antwort: Im Jahre 1972. Auch seither ging ich immer wählen – als braver Demokrat. Aber ich bin ein typischer Wechselwähler. Und das ist gut so.
Meine Vorbehalte
Ich habe bei dieser Heilbronner OB-Wahl lange überlegt. Den SPD-Mann Harry Mergel unterstütze ich NICHT.  Das war mir sehr schnell klar. Ich habe Harry Mergel als Politiker und Zeitgenossen über 30 Jahren erlebt. Als Journalist. Ich habe meine gewissen Vorbehalte – gegen seinen Charakter, sein Denken, sein Handeln. Meine Haltung ihm gegenüber habe ich in den letzten Wochen versucht schriftlich zu begründen.
Da kommt einiges an Argumenten zusammen. Zum Beispiel: Harry Mergel und Sibylle Mösse-Hagen haben sich über meine journalistischen Arbeiten immer direkt beim Verleger beschwert. Sie sind mit Mappen voll meiner Artikel angetanzt – nicht bei mir – sondern in der Allee 2 – oder früher beim Neckar Express. OK – ich wurde nachfolgend von den Verlegern immer über diese SPD-Beschwerden umfassend informiert - und nie abgestraft.
Aber der Versuch von diesen beiden SPD-Genoss(inn)en, mich mundtot zu machen, der war da. Wie einst auch vom “SPD-Genossen”, Kulturbürgermeister Erwin Fuchs, der versucht hatte, gegen meine Stadttheater-Berichterstattung im Jahr 1982 vorzugehen. Komisch. Andere Parteien haben das alles nie gemacht. Offenbar kein Einzelfall. Ein älterer Kollege, der bei einer SPD-Zeitung volontiert hatte, berichtete mir von fürchterlichen Erlebnissen, wenn Sozi-Mandatsträger voll Zorn in der Redaktion auftauchten - und vor Wut über die Berichterstattung der Redakteure, sprich der Presse schäumten.
Unliebsame Wahrheiten
Ein weiterer Grund, nicht Harry Mergel zu unterstützen, ist der unrühmliche Umgang der Sozialdemokraten mit unliebsamen Wahrheiten: Viele in der Käthchenstadt wissen wie ich, dass bis 1990 in Heilbronn rund vier Stasi-IMs tätig waren -  laut Stasi-Akten. Vielleicht wissen manche Zeitgenossen auch, wer das war. Wenn sie in Berlin ihre Stasi-Akten angeschaut haben. Ich habe es getan. Und ich habe auch im Bundesarchiv in Koblenz recherchiert.
Und auch das ist kein Geheimnis mehr: Heini Großhans, der SS-Mann und Nazi-Polizist in Heilbronn war, wurde später SPD-Geschäftsführer und Gemeinderat. Das wusste auch die SPD. Und sie wusste auch, wo Großhans im zweiten Weltkrieg als SS-Mann gekämpft hatte. Nur seine Partei schwieg eisern darüber. Genauso wusste die Partei sehr genau, wer sich im Heilbronn des Dritten Reichs billig jüdisches Eigentum unter den Nagel gerissen hat. Ich hatte als Journalist bei der SPD nachgefragt. Antwort: Es leben noch zu viele Betroffene … deshalb keine Antwort.
Noch ein Beispiel: Wie sagte Goethe einst so treffend:  Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist. Der Heilbonner DGB unter Paul Maier und seine Genossen aus der SPD hetzten zu Beginn der 80er Jahre in Veranstaltungen gegen die polnische Gewerkschaft Solidarność. Die polnische Opposition sei gar keine echte Gewerkschaft, das seien alles nur klerikal-faschistische Gruppen in Polen, hieß es.
Meine Frage, ob die kommunistischen Gewerkschaften oder Solidarność die richtigen Partner für den DGB seien, beantwortete Maier unter dem Beifall seiner Kollegen/Genossen: Die selbstverständlichen und natürlichen Partner für die deutschen Gewerkschaften im DGB seien die kommunistisch-staatlichen Gewerkschaften in Polen – so solidarisierte man sich mit dem Büttel der kommunistischen Militär-Diktatur und machte aus dem Goethe-Spruch reale Politik.
Brüder im Geiste
Ebenso war es bei der engen Partnerschaft mit dem Gewerkschaftsbund der DDR, dem FDGB. Die Heilbronner Sozialisten und Gewerkschafter reisten gerne und oft zu ihren „Brüdern“. Dialoge oder gar Kontakte mit Demokraten / Oppositionellen in diesen Ländern mieden die bundesdeutschen Gewerkschaften und die SPD – wie auch die Heilbonner dagegen wie der Teufel das Weihwasser.
Auch das Gaffenberg-Festival unter Harry Mergel baute keine Kontakte zu Oppositionellen in DDR und in Polen auf. Dagegen wurden sorgfältig die Kontakte zu den offiziellen und staatlichen „Kultur-Schaffenden“ in der Diktatur gepflegt - bis hin zu Sowjetunion.
Ich erinnere mich sehr genau an ein Gespräch, bei dem Harry Mergel über das Elend der Genossen aus der ehemaligen DDR jammerte - jene menschenverachtenden Greise aus dem SED-Zentralkomitee -, weil sie jetzt vor bundesdeutschen demokratischen Gerichten für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen wurden. Das seien doch, so Mergel naiv, alles gute Antifaschisten gewesen, die ob ihrer Überzeugungen schon unter Hitler im Zuchthaus gesessen hätten.
Über 40 Jahre Verbrechen gegen die Menschenwürde und die unmenschliche Jagd auf jegliche Opposition in der DDR verlor Herr Mergel kein Wort des Bedauerns.
Die SED und die SPD - davon kann auch Harry Mergel ein Lied singen. Er hatte damals enge Kontakte zu SDAJ, DKP, linken Gewerkschaftsleuten bei uns in Heilbronn und auch zu Personen in der Sowjetunion und der DDR. Übrigens war ja auch seine evangelische Kirche stark mit der DDR-Kirche (“Kirche im Sozialismus”) verbandelt. Siehe Erhard Eppler 1987:  Papier von SPD und SED; beide Parteien legten darin ihren gemeinsamen Willen zur friedlichen Koexistenz zweier deutscher Staaten nieder. Die Vereinigung Deutschland – das hatten die Sozis ganz bewusst verschlafen. Mit Lafontaine’scher Wut.
Warum? Es geht ein Gespenst um in Deutschland. Die Linken, vor allem Sozialdemokraten und Kommunisten, haben ihren Wählern aus dem Jahr 1933 nie vergessen, das die mit wehenden  Fahnen zum „Führer“ Adolf Hitler übergewechselt waren. Und die Linken haben dem deutschen Volk nie vergeben, dass es sich nicht selbst von der Nazi-Diktatur befreit hatte – sondern diese Befreiung den Alliierten 1945 überließ.  Das linke Misstrauen und der linke Hass auf das deutsche Volk darob – das gipfelt heute in dem Wahn-Spruch der linken Autonomen: Nie mehr Deutschland.
Linkes Gaffenberg-Festival
Ganz so radikal ist Heilbronn nicht. All diese Linken von der Mergel‘schen  „kleinen Volksfront“ - von SPD, Grünen, DKP, SDAJ, DGB, evangelische Kirche etc. - arbeiteten beim Gaffenberg-Festival politisch, nicht nur kulturell eng zusammen. Vor allem vor und nach 1990. Mergel weiß über diese alten “linken Geschichten vom Gaffenberg” sehr genau Bescheid. Man muss ihn nur fragen …
Die Recherchen über das ominöse “finanzielle Kapital des Gaffenberg-Festival-Vereins”, die Zeitungen in Baden-Württemberg anstellten, wurden vor Jahren entschieden gestört ... Warum: der Gaffenberg-Festival-Verein mauerte - das Ergebnis ist noch offen. 
Im Deutschorden-Kulturkeller der Stadt Heilbronn wurde 1988/89 bei einer Podiumsdiskussion über den politischen Umbruch in der Sowjetunion gesprochen. Heftig wurde von Mergel die Politik von Michail Gorbatschow, Glasnost und Perestroika, bejubelt. Als ihm vorgehalten wurde, dass die kommunistische Sowjetunion nicht reformierbar sei, eher würde dieser Staat demnächst  im Bürgerkrieg untergehen, da stellte Mergel diese Sichtweise als dümmliche und reaktionäre Ansicht dar, die vom naiven US-Präsidenten Ronald Reagan stammen könnte.
Dass kurze Zeit danach die Sowjetunion implodierte, wurde vom weitsichtigen Herrn Mergel mit Krokodilstränen bejammert. Natürlich: Mergel, ein glühender Lafontaine-Bewunderer, sah wie so viele Sozis in dieser Zeit in der DDR keine Opposition. Im Gegenteil: Sie interpretierten das SPD-Wort vom „Wandel durch Annäherung“ in eine rote, für sie angenehme Richtung. Die westliche Bundesrepublik solle – nach diesem linken Denken - „DDR-sozialistischer“ werden.
Deutsche Kombinate
Die SPD und linke Gewerkschafter hegten noch nie starke Sympathie für den Mittelstand und das Handwerk. Großkonzerne wie Audi, Lidl oder Daimler sind ihnen entscheiden lieber. Da können sie ihre Macht ausspielen – über ihre Betriebsräte. So erklärt sich auch die Sympathie von Harry Mergel für Dieter Schwarz und dessen Firmenpolitik. Die DDR und ihre Kombinate wirken als gutes Vorbild für unsere bundesdeutschen Großkonzerne. Siehe auch: Die Macht moderner Kapital-Oligarchien im Osten – seit 1990. Wo sind die großen Unterschiede?
Deshalb ist der Mergel-Satz auch Heuchelei - und das weiß er sehr genau: Dass der OB-Kandidat Mergel sich über die Unterstützung von Dieter Schwarz genauso freue wie über jene von der Rentnerin aus Böckingen oder Biberach. Einfache  Rentner sind nämlich keine Mitglieder in seinem Lions-Club. Dort sitzen die ihm lieben - weil mächtigen Zeitgenossen. Zu Mergels Vita passt denn auch Hans Falladas „Ein Mann will nach oben“.
Das alles ist nicht sonderlich tragisch. Geschichten dieser Art sind auch in anderen Städten der Größe Heilbronns zu beobachten. Und wer gönnte Harry Mergel nicht einen Verdienst-Sprung von bisher rund 120.000 Euro pro Jahr als Bürgermeister auf rund 400.000 bis 800.000 Euro als Dieter-Schwarz-Manager nach seiner Niederlage als OB-Kandidat am Sonntag.
Dies - und noch vieles andere – haben mich dazu gebracht, Harry Mergel und seinem Willen zu Macht sehr, sehr distanziert gegenüberzustehen.
Harry Pinocchio? Ich will keinen “kleinen Kaiser Nero” auf dem Heilbronner Rathaussessel haben, keinen „Gaffenberg-Paten“, der von vielen reichen Familien in Heilbronn abhängig ist. Und ich will keine Stadt Heilbronn, die stark nach “Palermo” riecht.

Heilbronn, Mittwoch, 12. März 2014

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